Predigt für den Sonntag in der Oktav von Herz Jesu, 26. Juni 2022 – Die geheimnisvolle Frau
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes. Amen.
In Christus geliebte Gläubige,
Am Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit haben wir gezeigt, wie dieses Fest und das Geheimnis, das im Herzen der christlichen Religion liegt, für die Modernen und Modernisten keinen wirklichen Sinn hat. Ihr radikaler Agnostizismus führt sie zur grundlegenden religiösen Gleichgültigkeit.
Am vorigen Sonntag haben wir über die Heilige Eucharistie nachgedacht. Wir müssen Gott und Christus besser kennen und mehr lieben, immer innerlicher, wenn wir von diesem Geschenk der göttlichen Liebe richtig Gebrauch machen wollen.
Mit den heutigen kurzen Überlegungen über die Kirche sind wir in umgekehrter Reihenfolge dem Dreischritt der Neuzeit nachgegangen, mit dem sie die Kirche, den menschgewordenen Gott und Gott selbst zurückgewiesen hat. 1517 hat Luther die Auflehnung gegen die von Christus gestiftete Kirche begonnen. 1717 hat der erste Zusammenschluß freimaurerischer Logen das lange Unternehmen begonnen, die Autorität Christi selber zu untergraben. Schließlich hat 1917 die russische Revolution der Welt weismachen wollen, dass man auch auf Gott verzichten kann.
Heute wollen wir also die dritte Wirklichkeit betrachten, welche für den Katholiken sehr wichtig, ihm aber weitgehend unbekannt ist: die Kirche, die geheimnisvolle Frau der Apokalypse.
Oft genug ist das Verständnis für die Kirche im Geist der Katholiken ziemlich umnebelt. Das ist zu erwarten, wenn es sich um Modernisten handelt. Sie haben keinerlei richtige Vorstellung von der Kirche. Sie behaupten, Christus hätte keine Kirche gründen wollen. Die Kirche ist nicht notwendig, denn die Religion ist nicht in der objektiven Offenbarung Gottes begründet, sondern in einer schleierhaften Kundgebung des göttlichen Geistes im menschlichen Geist und Herzen.
Wir erwarten dies aber eher nicht, wenn es um unsereins geht, um Traditionalisten und Katholiken non-una-cum. Ich habe mich selber oft dabei ertappt, dass ich annehme, dass jene, welche zur non-una-cum Messe kommen, wissen, warum sie kommen. Doch oft mußte ich mir Rechenschaft darüber geben, dass die Dinge nicht klar sind in ihrem Geist.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich in der Zeit, wo ich die Piusbruderschaft verlassen habe, einen Vortrag gehört habe, den ein Redner bei dieser gegeben hat. Er war Laie und sagte unter anderem, dass die Lehre über die Kirche zur Zeit des Konzils schwach und noch unsicher gewesen sei. Deshalb hätten die Modernisten dort angesetzt mit ihren ideologischen Brechstangen. Diese Idee trieb sich lange Zeit in meinen Gedanken herum. Erst als ich die Lage der Kirche unter die Lupe nahm und die Ekklesiologie genauer studierte, merkte ich, was dieser Mann da Unglaubliches von sich gegeben hat. – Übrigens auch ein gutes Beispiel dafür, wie konservative Vereine wie die Piusbruderschaft sich freudig schwächen, untergraben und unterwandern lassen, indem sie alle möglichen Leute ans Rednerpult lassen!
Das Vatikanische Konzil (1869 – 1870) hat klar und dogmatisch gelehrt über die Kirche. Danach gibt es eine Reihe von päpstlichen Rundschreiben, die sich mit demselben Gegenstand beschäftigen. Die Modernisten haben mit ihrer „Neuen Theologie“ dies alles einfach eingestampft und durch eigene Erfindungen ersetzt.
Die Tatsache, dass fast ein Zehntel der Fragen im großen Katechismus des hl. Papstes Pius X., nämlich 92 von 993 Fragen dem 9. Artikel des Glaubensbekenntnisses gewidmet sind, hat lange mein Interesse geweckt. „Ich glaube an die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen.“
Die Kirche ist die wahre und einzige Arche des Heiles. Das haben wir bereits gewußt, bevor die Anhänger P. Feeneys alles durcheinander gewirbelt haben mit ihrer unkatholischen Auslegung des Glaubenssatzes „außerhalb der Kirche gibt es kein Heil“. Der unglückselige P. Feeney hat sich geirrt, was er durch seine Weigerung, sich der Autorität der Kirche unterzuordnen, besiegelt hat. Seine heutigen Anhänger irren sich noch mehr, weil sie sich in einen Teufelskreis begeben, wenn sie behaupten: Jene, die P. Feeney verurteilt haben, haben später das 2. Vatikanum gemacht. Deshalb müssen sie sich auch getäuscht haben, als sie P. Feeney 1953 verurteilt haben. Ihr Problem ist dabei kein theologisches, sondern ein philosophisches, nämlich der Formallogik. Ihre Schlußfolgerung folgt nicht aus den Prämissen!
Der hl. Pius X. fragt in seinem Katechismus: Sagt auch, was notwendig ist, um ein Glied der Kirche zu sein? Um ein Glied der Kirche zu sein, ist es notwendig, getauft zu sein, die Lehre Jesu Christi zu glauben und zu bekennen, an denselben Sakramenten teilzuhaben, den Papst und die andern rechtmäßigen Hirten der Kirche anzuerkennen.
Unsere Gliedschaft in der Kirche ist zweifach, gemäß der menschlichen Natur, die aus Leib und Seele besteht. Es gibt ein eher äußerliches Band durch die Unterordnung unter die rechtmäßigen, wahrhaftigen Hirten; die Teilnahme an den katholischen Sakramenten sowie die Tatsache, dass man getauft worden ist und den katholischen Glauben bekennt. Um das klarzustellen: die rechtmäßigen Hirten der Kirche fehlen seit dem Abschluß des 2. Vatikanums.
Es gibt auch das innerliche Band, ohne welches der äußere Anschein der Mitgliedschaft nichts nützt. Dieses Band muss dann vermutet werden, wenn die äußerliche Gliedschaft gegeben ist. Es existiert tatsächlich, wenn all die im Katechismus erwähnten Bedingungen wahrhaftig und lebendig in einer Person gegeben sind. Leider können die äußere und die innere Wirklichkeit auseinanderklaffen. So kann eine Person etwa getauft worden sein, doch aus einem bestimmten Grund ist die Taufe nicht gültig gespendet worden, wie manche in Nordamerika jüngst herausgefunden haben, wo mancherorts verfälschte Worte zur Taufspendung verwendet worden sind. – Dasselbe kann auch bei den anderen Punkten eintreten, welche zur Gliedschaft in der Kirche notwendig sind.
Was für uns hier und jetzt wichtig ist, und was ich wie in den beiden vorangegangenen Predigten sagen will, ist folgendes: Zuerst einmal muss jeder Katholik sicherstellen, dass er wenigstens die Wahrheiten über die Kirche, wie sie im Katechismus enthalten sind, kennt und versteht. Das ist nicht bei allen hier Anwesenden der Fall! Überhaupt müssen wir oft zu den Definitionen zurückkehren, sie lesen, um sie besser zu verstehen.
Aufbauend auf diesem Grundwissen müssen wir die Lehre dann verinnerlichen. Wir müssen verstehen, dass die Kirche mehr ist als eine Einrichtung, zu der wir irgendwie in Verbindung stehen. Sie ist unsere geistige Mutter, die uns das übernatürliche Leben gegeben hat. Sie möchte dieses Leben in uns gefördert, genährt und vollendet sehen, uns zu der immerwährenden Gemeinschaft der Heiligen in der triumphierenden Kirche geleiten, was der endgültige Zustand der Kirche sein wird nach dem Ende der sichtbaren Welt, nach dem Jüngsten Gericht.
Unser Problem, das wir mit der Kirche haben, ist, wieder einmal sei es gesagt, ein sehr „modernes“ Problem. Der „moderne“ Mensch hat ein riesenhaftes Problem damit, seinen Mitmenschen zu vertrauen. Dies gilt noch viel mehr für Institutionen. Eheleute trauen einander nicht. Kinder trauen ihren Eltern nicht und umgekehrt. Die „normalen Katholiken“ trauen der Kirche nicht, weil sie offensichtlich bitteren Verrat erlitten haben durch das, was sie als die Kirche ansehen, was aber in Wirklichkeit die von Modernisten besetzte Kirchenstruktur ist. Die Feinde der Kirche haben lange und schwer darum gekämpft, die Kirche auf mannigfaltige Weise anzuschwärzen. Der französische Schriftsteller Voltaire hat gefordert: „Écrasez l’infâme!“ Zermalmt die Niederträchtige, womit er die katholische Kirche meinte. Zur Erinnerung: Derselbe Voltaire ist wie ein Tier gestorben. Er hatte einen Priester rufen lassen, als er sich dem Tode nahe glaubte. Doch dann hat er sich über den Priester lustig gemacht und sich geweigert, sich mit Gott zu versöhnen, weil es ihm besser gegangen ist. Später, als der Tod nahte, hat er nochmals nach einem Priester verlangt. Diesmal aber haben seine Freunde der Bitte nicht entsprochen, und er ist elendig und verzweifelt gestorben.
Inquisition, Kreuzzüge, Hexenverfolgung, Ketzerverbrennung, Wissenschaftsfeindlichkeit sind nur die bekanntesten, wahnsinnigsten und lächerlichsten Lügen über die Kirche, welche ausgestreut wurden. Modernistische Besetzer des Stuhles Petri haben es sich zur Aufgabe gemacht, um Vergebung zu bitten, nicht etwa für ihre eigenen Verfehlungen, sondern für die vermeintlichen Sünden und Schandtaten der Kirche! Kein Wunder also, dass viele Katholiken, selbst wohlmeinende Gemüter, große Vorurteile haben und einen Minderwertigkeitskomplex vor der Welt. „Immer weiter Dreck werfen, etwas bleibt schon hängen“, wie Voltaire wiederum sagte.
Wenn Sie sich etwas Gutes tun wollen, entledigen Sie sich dieser vielen schrecklichen Lügen, welche im Hinblick auf die von Christus gestiftete Kirche ausgestreut worden sind. Als die Braut, welche das geopferte Lamm sich geschaffen hat, ist die Kirche ohne Makel, ohne Runzel oder etwas dergleichen, vielmehr ist sie heilig und fleckenlos (vgl. Eph 5,27). Gewiss sind die Mitglieder der Kirche, Kleriker und Laien gleichermaßen arme Sünder. Doch dies bedeutet nicht, dass die Kirche selber sündig ist. Sie ist unsündig, ebenso wie sie immun ist gegen Irrtum in allem, was die Wahrheit und die Heilsmittel angeht.
Mit einem Geist, der geheilt und gereinigt ist von allen Lügen und Abscheulichkeiten über die Kirche, müssen wir dann eine Beziehung zu unserer geistigen Mutter aufbauen und vertiefen. Gemäß dem Willen Gottes können wir uns nur heiligen und retten durch die Kirche, welche die Wahrheit lehrt, die Heilsmittel verwaltet und unseren Verstand und Willen durch wohltuende Gesetze und Anordnungen leitet: „Gehet also hin, und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes; und lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,19-20) Dann fügt er hinzu: „und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“ Diese Worte sind unendlich wichtig in den jetzigen Umständen, wo viele meinen, Christus hätte seine Kirche vergessen und verlassen. Dieses Versprechen Christi ist noch bedeutender, denn es besagt, dass es keine wesentliche oder erhebliche Veränderung geben kann und wird in der Weise, wie der Heiland die Seelen zum ewigen Heil führen will.
In diesem Zusammenhang ist es gut, das 12. Kapitel der Geheimen Offenbarung des hl. Johannes zu lesen. P. Pius XII. hat die ersten Worte davon für den Introitus des neuen Meßformulars für den 15. August genommen nach der Verkündigung als Glaubenswahrheit der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Sie beziehen sich auf die Kirche und sodann auf Unsere Liebe Frau, welche die geistige Mutter der Seelen ist gemäß dem Willen des am Kreuz sterbenden Heilandes.
„Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: Ein Weib mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupte eine Krone von zwölf Sternen. Und sie war gesegneten Leibes, und rief in Geburtswehen, und hatte große Pein, um zu gebären. Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel; siehe, ein großer, feuerroter Drache mit sieben Köpfen und zehn Hörnern, und auf seinen Köpfen sieben Diademe; und sein Schweif riss den dritten Teil der Sterne des Himmels herab und warf sie zur Erde. Und der Drache trat vor das Weib, das im Begriffe war zu gebären, um, wenn sie geboren hätte, ihr Kind zu verschlingen. Und sie gebar einen Sohn, einen mannhaften, der alle Völker mit eisernem Stabe beherrschen soll. Und ihr Sohn ward entrückt zu Gott und zu seinem Throne. Das Weib aber floh in die Wüste, wo sie eine von Gott bereitete Stätte hatte, dass sie daselbst tausendzweihundertundsechzig Tage ernährt würde.“
(Offb 12,1-6)
Gott kümmert sich um uns und hält die Zügel der Kirche fest im Griff. Die große Aufgabe, die Seelen zum übernatürlichen Leben zu gebären und den Himmel zu bevölkern, wird unter großen Schmerzen gemeistert. Der Feind, Satan, der Drache, „geht wie ein brüllender Löwe umher und sucht, wen er verschlingen könne“ (1Petr 5,8). Unser Platz ist in der Kirche, in der Verbannung, in der geistigen Wüste, wo Gott bereit ist, uns zu ernähren und uns auf den Himmel vorzubereiten.
Wir wollen diesen Platz wertschätzen und lieben und Gottes unumschränkten und unfehlbaren Willen anbeten, der sich um alle kümmert, welche Er für immer und ewig bei sich selbst und mit sich selbst beglücken will.