Vorstellung der Glaubensgespräche
und von P. Arnold Trauner
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Herr Pater Arnold Trauner, Sie sind seit 22 Jahren Priester. Bis vor drei Jahren gehörten Sie zur Priesterbruderschaft St. Pius X.
Am 25. Juni 2013, dem 19. Jahrestag Ihrer Priesterweihe, verfassten Sie ein Abschieds-schreiben an die Priester, Ordensleute, Eltern und Gläubigen. Darin heißt es u.a.:
„Unser Heiland lädt uns ein, alles zu verlassen; alle Bande eher zu zerschneiden, als Seine Jüngerschaft aufzugeben. Heute folge ich Seinem Ruf und verlasse meine geistliche Heimat, die in Trümmern liegt. Es geschieht aus dem einzigen Grund: Dem Willen, der erkannten Wahrheit treu zu sein und die Gnade des Priestertums unversehrt zu bewahren.“
Können Sie uns einen kurzen Überblick Ihrer Biografie geben, die Ihren Weg, Ihre Treue zur wahren kath. Kirche und dem Willen Gottes aufzeigt?
Ich wurde im Nordosten Österreichs, nur 25km von der damals noch toten Grenze zur Tschechoslowakei entfernt, geboren. Mein Heimatdorf Straning liegt in der Nähe von Eggenburg an der Franz-Josefs-Bahn, welche die erste und direkte Bahnverbindung zwischen Prag und Wien war.
In diesem Bauerndorf von etwa 400 Seelen gab es damals etwas Besonderes: Den Ortspfarrer. Der hochw. Kanonikus Rudolf Brock – Pfarrer in Straning von 1967 bis 1986 – widerstand als einer von wenigen Priestern in Österreich dem Sturm des modernistischen Abbruchs der kath. Kirche. Meine Eltern haben zu seiner Amtszeit geheiratet (1968), meine zwei Geschwister und ich sind von ihm getauft und später unterrichtet worden. Seine Amtszeit geht fast bis zu meinem Eintritt 1988 ins Seminar der Priesterbruderschaft St. Pius X.
Kan. Brock hatte es nicht leicht, denn Straning liegt am Rande der Erzdiözese Wien, welche damals von Kardinal Franz König geleitet wurde. König ist bekannt als extremer Modernist und wahrscheinliches Mitglied der Freimaurerei. Jedenfalls hat er der kath. Kirche in Österreich und unzähligen Seelen größten Schaden zugefügt, unter anderem durch seine Rolle in der Legalisierung der Abtreibung in Österreich und über die Grenzen Österreichs hinaus durch seine sehr aktive Rolle in der Ostpolitik des Vatikans.
Mit ihm musste sich also Herr Kan. Brock messen. Mit Schläue und Gottes Hilfe hat er dieses Bravourstück geschafft. Bei Einführung der neuen Messe, der Montini-Messe, wurde der Volksaltar, der berüchtigte Luthertisch, aufgestellt, aber eines Nachts ist dieser Tisch auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Sie sind also mit Ihrer Familie zum Glück vom Modernismus der Konzilskirche verschont geblieben?
Ja, ich selber habe z.B. die Montini-Messe nur ab und zu während meiner Gymnasialzeit erlebt, d.h. ich habe sie über mich ergehen lassen zu Schulbeginn und Schulende. Bei Kan. Brock konnte ich fast täglich ministrieren. Später war ich auch Organist in der Pfarrkirche, welche kaum zweihundert Meter von meinem Elternhaus entfernt ist.
So ist sicher auch in einem günstigen Zusammenwirken von Elternhaus und Pfarrleben meine Berufung zum Priestertum geweckt, gefördert und gestärkt worden. Seit meiner Jugendzeit hatte ich eigentlich keine anderen Pläne, als Priester zu werden (!)
Die Tatsache, dass unsere Gegend am Aussterben war – wegen der toten Grenze zum Ostblock – hatte die sehr positive Auswirkung, dass wir von den zerstörenden Einflüssen in der Gesellschaft etwas abgeschottet waren. Selbst im staatlichen Gymnasium in Horn haben wir wenig mitbekommen von den zersetzenden Zuständen, wie sie in den großen Städten, vor allem im nahen Wien, bereits grassierten (Unmoral, Drogenkonsum…). Wir hatten gute Lehrer, deren Autorität respektiert wurde.
Als Kan. Brock dann 1986 schließlich das Feld räumen musste, hielt der modernistische Pfarrer der Nachbardörfer auch in Straning Einzug. Wir fuhren aber bereits damals zur Messe – zur heiligen Messe – nach Wien oder Jaidhof, zur Priesterbruderschaft. So bin ich – da mir keine Alternative bekannt war – 1988, drei Monate nach den bekannten Bischofsweihen durch Alt-Erzbischof Marcel Lefebvre in Écône – bei denen ich übrigens dabei war! – ins deutschsprachige Seminar der Bruderschaft eingetreten.
Ich war bei Ihrer Priesterweihe am 25. Juni 1994 in Zaitzkofen und auch bei der Heimatprimiz in Straning, zwei Wochen später, dabei. Der damalige Ortspfarrer ließ an der Kirchentür eine Warnung vor der Priesterbruderschaft St. Pius X. anschlagen. Darin hieß es: Eine aktive Teilnahme an deren Gottesdiensten sei nicht erlaubt wegen der Gefahr einer Kirchenspaltung. Dieser Schritt der Amtskirche war aber die beste Propaganda für eine glanzvolle Primizfeier. Nicht in der Pfarrkirche, sondern in der liebevoll geschmückten Maschinenhalle Ihrer Eltern. Rund 800 Teilnehmer waren gekommen und erlebten eine Primizfeier voll Innigkeit ganz besonderer Art. Der frühere Pfarrer von Straning, der hochw. Herr Kanonikus Rudolf Brock, den Sie bereits erwähnten, fand erschütternde Worte des Dankes an unseren Herrn Jesus Christus, den Christkönig, die den Gläubigen zu Herzen gingen.
Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Ihren Ehrentag?
Nur sehr wenig präzise Erinnerungen! Im Seminar war ich lange Zeit der Jüngste, da ich direkt nach der Matura eingetreten bin. Da mir aber das Studieren leicht fiel, wurde ich am Anfang des dritten Seminarjahres zum Hauptzeremoniar ernannt. Ich musste damals feststellen, dass kaum schriftliche Unterlagen für die verschiedenen liturgischen Dienste vorhanden waren – erstaunlich, denn das Seminar befand sich bereits seit zwölf Jahren am selben Ort… Da ich mich mit diesem Zustand nicht abfinden konnte, begann eine Zeit rastlosen Arbeitens. Dazu kam noch, dass seit den Bischofsweihen nun viel öfter Pontifikalzeremonien anstanden, also mussten auch dafür die entsprechenden Unterlagen ausgearbeitet werden.
In den Zeremonienbüchern passte hinten und vorne nichts zusammen mit dem, was im Seminar praktiziert wurde. Denn seit 1950 war in der Liturgie – bereits zu Zeiten Pius XII. (!!!) – herum-experimentiert worden, ständig wurden Veränderungen verabschiedet. Heute lächle ich darüber, weil ich dieses ganze Thema aufgearbeitet habe. Damals hatte ich keine Ahnung, wo hinten und vorne war! Man hütete sich im Seminar, uns über das Ausmaß der Veränderungen in der Liturgie bereits vor Vatikan2 und lange vor der Montini-Messe aufzuklären.
Der Seminarist Arnold Trauner musste also neben seinem Studium die Zeremonieunterlagen aktualisieren! Wäre das nicht Aufgabe eines erfahrenen Priesters gewesen? Wie haben Sie dieses Arbeitspensum verkraftet?
Natürlich wäre ein erfahrener Priester dafür viel geeigneter gewesen – aber so war es eben nicht… Weil ich diese Arbeit sehr ernst nahm, habe ich mich damit ziemlich aufgerieben. Erst knapp vor meiner Priesterweihe erhielt ich einen Nachfolger als Zeremoniar. So war ich zu diesem Zeitpunkt am Ende meiner Kräfte.
Das Ganze ist im Rückblick hochinteressant, nur deswegen erwähne ich es hier. Denn es zeigt eine Konstante im Verhalten der Piusbruderschaft, dass sie sich nämlich sehr wenig um das körperliche und geistige Wohlbefinden ihrer Mitglieder kümmert, was ja im Rahmen einer Bruderschaft von Priestern an sich ein vordringliches Anliegen sein müsste.
Interessant ist auch, dass sich dieselbe Verhaltensweise in anderen Gruppierungen unter den Traditionalisten bemerkbar macht, was regelmäßig zu menschlichen Katastrophen bei den Priestern und zu pastoralem Desaster bei den Gläubigen führt.
Auf einem Ihrer Primizbildchen ist der Landespatron von Niederösterreich, der hl. Leopold, abgebildet mit dem Text: „Heiliger Leopold, bitte für mich und mein Vaterland, das um deine Hilfe fleht.“
Und in Ihrem Dankschreiben an die zur Heimatprimiz gekommenen Gläubigen heißt es: Zitat: „Ich bitte Sie, mich in Ihr Gebet einzuschließen, damit mein priesterliches Wirken Frucht bringe, und zwar bleibende Frucht für die Ewigkeit und das Heil so vieler Seelen als nur möglich.“ Zitat Ende.
Das sind sehr schöne Worte. Große Worte. Und bei Ihnen sind es keine leeren Worte geblieben. Gott ließ Sie immer deutlicher den gefährlichen Weg der Oberen der Piusbruderschaft erkennen. Deren Gratwanderung zwischen dem Liberalismus und Sedevakantismus – wie die Piusbrüder es oft ausdrücken – entbehrt nämlich der theologischen Grundlage. Ohne tragfähiges Fundament kann der Weg nur ein Irrweg sein, den Sie nicht mitmachen wollten.
Weshalb erkennen das viele andere Mitbrüder nicht?
Einerseits, weil sie im Apostolat aufgerieben werden. Wenn sie ständig unter Druck sind, jede Woche mehrere Tage unterwegs sind usw., haben sie keine Ruhe, keine Muße, sich den geistigen und geistlichen Anforderungen des Priestertums zu stellen: Lektüre, Studium…
Außerdem ist die eingehende Beschäftigung mit den aktuellen theologischen Fragen und Problemen nie gewünscht oder gefördert worden. Ich erinnere mich gut an die Zeit nach dem Jahr 2000. Ich bekam regelmäßig die deutschen Zeitschriften der Piusbruderschaft, während ich in Afrika war. Eines Tages habe ich mir gedacht: Warum schreibt Pater Soundso nicht mehr im Mitteilungsblatt? Das war damals ein ungeklärtes Fragezeichen für mich, heute sehe ich den Grund dafür. Wer sich ernsthaft mit der Theologie befasst, stößt notwendiger Weise auf Widersprüche im System der Piusbruderschaft – und das wird natürlich vermieden. Also publiziert man eher „leichtere Sachen“.
Die Krise in der Piusbruderschaft ist offensichtlich. Auf welche Ursache lässt sie sich zurückführen? Der Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., EB Marcel Lefebvre, war doch eine heiligmäßige, liebenswürdige Persönlichkeit. Dass er in einigen wichtigen Punkten schwankende Positionen eingenommen hat, die sein Erbe schwer belasten, ist ihm sicher nicht vorzuwerfen. Er konnte unmöglich alles selber leisten.
Wollen Sie uns, bitte, kurz den Werdegang von EB Lefebvre beschreiben.
Er hatte den großen Vorzug genossen, im französischen Seminar in Rom zu studieren. So wie viele andere, welche in Rom studiert hatten, wurde er im Jahre 1947 zum Bischof geweiht, obwohl er bald nach seiner Priesterweihe der Kongregation der Väter vom Hl. Geist beigetreten ist und dann in Afrika als Missionar tätig war. Als Erzbischof von Dakar wurde er dann auch der persönliche Vertreter P. Pius XII. im französischsprachigen Afrika (außer Algerien). Hätte Pius XII. einen wirklich katholischen Nachfolger gehabt, so hätte er wohl auch zum Kardinal ernannt werden können. Doch die Besetzung Roms durch die Modernisten brachte es mit sich, dass der Erzbischof aus seinen Ämtern in Afrika abberufen wurde.
Er war dann Mitglied der Kommission, welche die Texte für das 2. Vatikanum vorbereitete. 1962 zum Generaloberen seiner Kongregation gewählt und führendes Mitglied der konservativen Fraktion während des Konzils (Coetus Internationalis Patrum), dankte er 1968 als Generaloberer ab, um nicht die Zerstörung seiner Kongregation unterschreiben zu müssen.
Bereits im Dezember 1966, ein Jahr nach Konzilsende, schrieb Erzbischof Lefebvre an den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Ottaviani, in Rom. Die Anklage des Konzils beginnt mit dem Satz: Zitat „Dort, wo das Konzil Neuerungen eingeführt hat, hat es fast durchwegs die Gewissheit von Wahrheiten erschüttert, die nach der Lehre des authentischen Lehramtes der Kirche endgültig zum Schatz der Überlieferung gehören.“ Zitat Ende.
EB Lefebvre hat das Desaster des Konzils in seiner ganzen Tragweite sehr früh vorausgesehen.
Das ist richtig. Fast unmittelbar nach seiner Abdankung als Generaloberer wurde er von Seminaristen des französischen Seminars in Rom gebeten, sich ihrer anzunehmen, da die Zustände in diesem Seminar nach dem Konzil unerträglich geworden waren. So kam es zur Gründung der Priesterbruderschaft St. Pius X.
EB Lefebvre hatte sicher eine wichtige Rolle im Plan der Vorsehung zu spielen. Er kannte viele kirchliche und politische Persönlichkeiten aus seiner Zeit als hochrangiger Diplomat des Vatikans; er hatte einen tiefen Glaubensgeist, welcher in den Widerwärtigkeiten und dem harten Apostolat in Afrika gestählt worden war; seine menschlichen Fähigkeiten und Vorzüge stehen außer Diskussion.
Im Konflikt mit dem in die Apostasie gefallenen Rom – die Religionsfreiheit, so wie sie von Vatikan2 aufgefasst wird, entzieht der wahren Religion den Boden – hat er sich aber mit einem guten Teil der Traditionalisten in eine Zwickmühle treiben lassen: In das Dilemma zwischen dem „katholischen Rom, Lehrerin der Wahrheit“, und dem „Rom neo-protestantischer und neo-modernistischer Tendenz“. Wir werden in einer eigenen Sendung auf die Zweideutigkeiten und Unzulänglichkeiten dieser Ausdrücke zurückkommen müssen, welche EB Lefebvre ja in seiner bekannten Erklärung vom 21. November 1974 verwendet hat, und welche seinen Söhnen in der Kehle stecken geblieben und damit nie verdaut worden sind.
In einem Theaterstück von Karl Kraus sagt jemand: „Lassen Sie mir meine Vorurteile und belästigen Sie mich nicht mit Ihren Tatsachen.“
Sie, Herr Pater Trauner, ließen sich von erkannten Tatsachen und Ungereimtheiten sehr wohl „belästigen“ und beunruhigen.
Keiner darf mit dem katholischen Glauben spielen, denn damit würde er sein Seelenheil auf die leichte Schulter nehmen. Vor dem Gericht Gottes wird mich kein EB Lefebvre verteidigen, ich kann mich also nicht hinter seiner Person verstecken, wie das heute viele zu tun versuchen – vor allem nicht, wenn ich in seiner Lehre und in seinem Werk theologische Abweichungen von der apostolischen Lehre feststelle.
Sie konnten den Weg der Piusbruderschaft zur Einheit mit dem heutigen Rom nicht mitgehen.
In Ihrem bereits erwähnten Abschiedsbrief von 2013 sagen Sie ganz klar: Zitat: „Den Tatsachen ins Auge zu sehen, ist Pflicht eines jeden vernünftigen Menschen. Das, was nun offenbar vor aller Augen liegt … darf ich nicht mit Schweigen übergehen. Denn wer schweigt, scheint zuzustimmen. Dies ist aber dem Priester nicht erlaubt … Er muss predigen und vorstehen zum Wohl der Gläubigen … Er kann nicht abwarten, während die Hiebe des Feindes die Seelen der Gläubigen zugrunde richten. Weiter zuwarten wäre Sünde.“ Zitat Ende.
Nicht viele Priester sind so gerade wie Sie. Was erwartet die konsequenten Priester nach ihrem Weggang von der Piusbruderschaft? Sind Sie in Kontakt mit Ihren Mitbrüdern?
Wie ich damals zu sagen pflegte, habe nicht ich die Bruderschaft verlassen, sondern sie hat mich verlassen: In dem Sinne nämlich, dass ich mit bestem Wissen und Gewissen bei der Bruderschaft studiert und als Priester gewirkt habe. Als ich erkennen musste, dass die Mängel und Skandale, deren Zeuge ich in dieser Zeit geworden war, nicht nur auf menschlichem Gebrechen, sondern vor allem auf einer falschen theologischen Grundlage wuchsen, musste ich meinen Hut nehmen und weiterziehen. Denn ein Widerstand „von innen“ ist eine nette Illusion – aber eben doch nur eine Illusion!
Hätte mich jemand anderthalb oder zwei Jahre vor meinem Weggang von der Piusbruderschaft gefragt, wie ich meine Zukunft sehe, so hätte ich ihm ohne Umschweife geantwortet, dass ich in Afrika leben und sterben würde. Ich war nämlich zwei Jahre nach meiner Priesterweihe – während derer ich in Österreich gewirkt habe – im Jahr 1996 nach Gabun in Afrika geschickt worden, und zwar auf eigenen Wunsch. Das Apostolat dort war großartig und für einen Priester erfüllend.
Doch „der Mensch denkt, und Gott lenkt.“ Im Herbst 2012 war ich physisch am Ende – wir waren dabei, in Nigeria ein neues Priorat aufzubauen – und so musste ich praktisch von Heute auf Morgen eine erzwungene Ruhepause einlegen. Eine kleine Schwesterngemeinschaft, bei der ich 18 Jahre zuvor eine Nachprimiz gehalten hatte, nahm mich um Gottes Lohn auf. Von deren Spiritual wurde ich mit großer Geduld und Feinfühligkeit während dieses neunmonatigen Aufenthaltes geistlich gestärkt und wieder auf die Beine gebracht.
Erst als Sie physisch am Ende waren, konnte Gott Ihnen den weiteren Weg zeigen und seinem treuen Priester weiterhelfen!
Ja. Ich habe nicht viel dazugetan, um dort zu stehen, wo ich heute stehe! Wir müssen uns von der Vorsehung führen lassen!
Was erwartet den Priester, welcher die Piusbruderschaft verlässt? Er ist auf sich allein gestellt, vor allem auch in materieller Hinsicht. Ich glaube, das hält viele, welche die Krise verstanden haben, davon ab, die Tür hinter sich zuzumachen.
Für mich hat sich eine gangbare Möglichkeit abgezeichnet, welche ich dann angenommen habe. So bin ich nach Österreich zurückgekehrt.
Konnten Sie also in Ihrer Heimat nahtlos die priesterliche Tätigkeit wieder aufnehmen?
Niemand ist großherziger, als unser Schöpfer und Gott! Ich hatte noch monatelang hier in Österreich praktisch kein Apostolat zu betreuen, und das war genau das, was ich gebraucht habe, um wieder zu Kräften zu kommen. Dann hat sich die Betreuung einer Gruppe in Budapest ergeben, welche bald durch eine gewisse Person gespalten worden ist… Alles ist Gnade, heute bin ich dankbar dafür, dass mir diese Personen vom Leib gerückt sind. Inzwischen hat sich die Gruppe gestärkt und nimmt auch zahlenmäßig zu.
Ich würde jedem Priester, welcher den Zustand der Piusbruderschaft erkannt hat, raten, den Schritt ins Ungewisse zu wagen. Natürlich müssen einige Parameter da sein – aber sie fehlen für keinen jener Priester, welche zu ihrem guten Willen stehen wollen. Es gibt genug Seelen, welche nach der wahren katholischen Lehre, nach der wahren hl. Messe – und nicht „in Glaubenseinheit mit Häretikern und Apostaten“ – verlangen, und welche bereit sind, dafür Opfer zu bringen. Ein Priester braucht eigentlich nicht sehr viel zum Leben. Und die Piusbruderschaft ist laut Statuten eine Gesellschaft apostolischen Lebens – d.h. dass sich ihre Mitglieder auf die Lebensweise der Apostel verpflichten, was natürlich die Armut einschließt.
Neben dem materiellen Element ist aber das geistige noch viel bedeutender. Ich möchte es jedem Mitbruder vergönnen, die große Genugtuung zu erleben, welche das unvoreingenommene Studium der Theologie verschafft. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass kein Monat vergangen ist, in dem ich nicht auf eine kapitale Frage gestoßen wäre, sei es in der Dogmatik, der Moraltheologie, Liturgie, Kirchengeschichte, im Kirchenrecht oder anderweitig.
Nach dem 2. Vat. Konzil, das vor 50 Jahren zu Ende ging, blieben die meisten Katholiken aus Anhänglichkeit der angeblich erneuerten Kirche, der sogenannten Konzilskirche, treu und wurden konziliar. – Ist es heute bei den Gläubigen der Piusbruderschaft nicht ähnlich? Nur wenige verlassen diese Gemeinschaft. Kann man dieses Beharren mit Gehorsam, Treue, Sicherheitsbedürfnis oder Gewohnheit erklären?
Welche Erfahrungen machen Sie mit solchen Gläubigen?
Wir betreten hier abschüssiges Gelände, wenn Sie mich darum bitten, über die Beweggründe von Personen zu spekulieren oder zu urteilen. Gott verhüte, dass ich mich darauf einlasse!
Es kann im gegenwärtigen Kampf – denn eine Krise bedeutet Kampf – nur um den Glauben gehen, also in erster Linie um die Glaubenslehre und die Ausübung des Glaubens.
Was einen Menschen bewegt, damit er die Lehre oder die Praxis des wahren Glaubens aufgibt oder vernachlässigt, weiß nur Gott; der Einzelne gibt sich selbst meist nur ungenügend Rechenschaft darüber.
Eine falsche Auffassung von Gehorsam oder Treue kann natürlich ein gewichtiges Hindernis sein, um sich aus einer ideologischen Umklammerung zu lösen, auch nachdem man gewisse Gefahren erkannt hat. Sicherheitsbedürfnis, Gewohnheit sind Faktoren, welche menschlich gesehen sehr wichtig sind. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, sagt man…
Unter diesen Gesichtspunkten sind alle, welche weiterhin der Piusbruderschaft anhangen, genauso Opfer des kolossalen Etikettenschwindels der Konzilssekte wie jene, welche sich mit einer schönen oder gültigen alten Messe à la Petrusbruderschaft oder Christkönigsinstitut abspeisen lassen. Ab wann wird ein Gläubiger oder ein Priester dann vom Opfer zum Täter? Gott allein kann darüber urteilen!
Wie kann man also vernünftiger Weise dieses Problem lösen, ohne Gott zu beleidigen?
Einem Ungarn, mit dem ich zum ersten Mal gesprochen habe, und bei dem ich eine tiefe Aufrichtigkeit feststellen konnte, habe ich gesagt: „Wenn Sie keine Märtyrerseele haben, lassen Sie es lieber bleiben!“ Ich glaube, man kann den Leuten, welche wirklich die Tragweite des Schlamassels zu erfassen beginnen, keine halben Lösungen zumuten. Natürlich braucht man nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Aber man muss sich bewusst sein und dies auch zu gegebener Zeit ‚rüberbringen, dass wir in der apokalyptischen Zeit leben, welche dem Weltende und dem Weltgericht ziemlich nahe steht.
Weshalb hat, Ihrer Meinung nach, die Mehrheit der Christen bei uns keine Märtyrerseele?
Die wahren Christen haben stets in der Erwartung der Wiederkunft Christi gelebt. Bekennen wir doch im Credo, dass Christus wiederkommen wird als Richter der Lebenden und Toten; dass wir die Auferstehung der Toten und das künftige Leben erwarten (!) Aber jetzt, wo der Antichrist quasi in der Tür steht, will keiner mehr etwas davon wissen: Die Christen sind gleichgültig geworden – dank des konziliaren Ökumenismus und der Religionsfreiheit; sie suhlen sich im krassesten Materialismus – auf der nördlichen Halbkugel dank Kommunismus, liberaler Marktwirtschaft und Verdummung durch die Massenmedien, auf der südlichen Halbkugel als Folge der Befreiungstheologie, welche Ungerechtigkeit durch Hass und Gewalt bekämpfen will. Die göttliche Liebe ist bei vielen erkaltet, das Glaubensbekenntnis vom Angesicht der Erde fast verschwunden. Die Menschen nennen das Gute böse und das Böse gut, die Finsternis Licht und das Licht Finsternis, wie der Prophet Isaias sagt. Die Wahrheit spielt für die meisten Leute keine Rolle mehr (!!)
Neben dem materiellen Wohlstand, den berühmten „Brot und Spielen“, ist es, denke ich, vor allem die Unwissenheit in religiösen Fragen, welche die meisten Menschen von Gott abfallen lässt.
Wenn ich die Wahrheit nicht kenne, vielleicht nicht kennen will, kann ich ihr auch nicht zustimmen, d.h. glauben.
So lebt man dahin und lässt den „Herrgott einen guten Mann sein“, wie man so sagt.
Jemand, der die Augen aufmacht und sie zum Sehen benutzt – zum Sehen der ganzen Wahrheit bzw. der ganzen Tiefe der geistigen Verderbnis – muss schon eine gewaltige Anstrengung in Kauf nehmen, um wieder beide Füße auf den Boden der Realität zu bekommen – und dazu sind eben nur die Wenigsten bereit! Das ist menschlich, denn der erbsündliche Mensch neigt nun einmal zum Niedrigen, zum Einfachen, zum Alltäglichen: Primum vivere, deinde philosophare – Zuerst was zum Beißen, zum Amüsieren; dann sehen wir (vielleicht) weiter (!)
Im Fall der Anhänger der Piusbruderschaft gilt dasselbe Prinzip in einer anderen Abwandlung: Man hat sich eine Ersatz-Autorität geschaffen, und auf diese verlässt man sich – wenn nötig blind; man schiebt seine persönliche Verantwortung – sogar für sein Seelenheil – auf Andere ab; man vertröstet sich auf bessere Tage. Auch das ist sehr verständlich, sehr menschlich. Aber es genügt eben heute nicht, um geistig und geistlich zu überleben (!) Es genügt nicht, ständig zu beteuern, man wolle den Glauben bewahren, der Glaube sei das Höchste – und dann nichts dergleichen zu tun.
Es muss ein jeder selber seine Haut auf den Markt tragen, wie man bei uns sagt. Ich möchte, wie gesagt, über keinen ein Urteil fällen, weil ich das nicht kann und mir das nicht zusteht. Gott allein ist Richter über das Gewissen eines jeden.
Worum es mir geht, und worum es in diesen Glaubensgesprächen gehen soll, ist die katholische Lehre, so wie sie uns vom Lehramt verbürgt ist. Wir werden dies an dieser Stelle in seinen Grundsätzen und in seinen Folgerungen erläutern. – Und wer es fassen kann, der fasse es (!)
Ja, wer Ohren hat zu hören, der höre. Herr Pater Trauner, vielen Dank für dieses Gespräch. – Gelobt sei Jesus Christus.
In Ewigkeit. Amen.