Predigt für den 3. Adventsonntag
13. Dezember 2020
Im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Hl. Geistes. Amen
In Christus geliebte Gläubige,
Es ist gut und nützlich, ab und zu über die christliche Erziehung zu sprechen!
Die Väter nennen die Erziehung die Kunst der Künste, also die höchste Kunst. Die lange und harte Arbeit, aus Rohmaterial etwas Schönes zu machen, etwas Ungeformtem eine angenehme und schöne Form zu geben, ist die schwierigste und edelste Aufgabe (lat. „eruditio“ [Lehren, Lernen] kommt von „rudis“ [roh, rau]). Sie wird auch zu Recht mit der Aufgabe eines Seelenhirten verglichen, wie etwa vom Papst Gregor dem Großen.
Die katholische Idee der Erziehung bezieht ihre Richtschnur und Inspiration von der Art und Weise, in der Gott die Welt regiert, insbesondere von Seinem Umgang mit unserer Seele. Er handelt nämlich „fortiter suaviterque“ (vgl. Sap 8,1), stark und sanft zugleich, wie die Heilige Kirche in der ersten „O-Antiphon“ zur Vorbereitung auf Weihnachten (17. Dezember) singt. Gott begräbt uns nicht unter seiner Gnade, indem er uns alles auf einmal gibt, und überlässt uns dann uns selber; Er verwirft uns auch nicht, wenn wir sündigen, indem Er uns in die Tiefen der Hölle stürzt, sondern gewährt uns Zeit und Leben. So übt Er Geduld und Langmut an uns, weil Er unsere große Schwäche kennt.
Katholische Eltern sollen sich in der Erziehung ihrer Kinder ähnlich wie Gott verhalten, der unsere äußerst unvollkommenen Seelen vervollkommnen will.
Neben diesem ersten Grundprinzip ist eine weitere sehr wichtige Tatsache zu berücksichtigen:
Der „moderne“ Mensch glaubt nicht an die Wirklichkeit, vor allem nicht an die Realität der Erbsünde und ihre vielfältigen Folgen für einen jeden von uns. J.J. Rousseau, der nicht fähig war, seine eigenen Kinder zu erziehen, hielt es für sinnvoll, ein Buch über dieses Thema zu schreiben. Er glaubt, dass die Kinder von Natur aus gut sind und nur durch den Einfluß der Gesellschaft und die Erziehung schlecht werden. Von diesem falschen Ausgangspunkt stammen all die lächerlichen und bösen Theorien der „Modernen“ über die Erziehung. Die Kinder sollten in Ruhe gelassen werden, ihre verborgenen Talente entdecken, sich selbst verwirklichen, ihr Wissen aufbauen usw. – Dies nennt man Naturalismus. Er geht Hand in Hand mit dem Materialismus, weil letztendlich die Leugnung der Erbsünde auch die Leugnung des Geistes und damit Gottes und der Engel und auch der menschlichen Seele beinhaltet. „Moderne“ Erziehung und sogar staatliche Gesetze mischen sich in die Erziehung ein, aber es ist die Schuld der Eltern, wenn sie dies zulassen. Sie haben den Kontakt zur Realität verloren, die darin besteht, dass die Eltern das erste Recht und die erste Pflicht haben, ihre Nachkommen zu erziehen.
Es ist ein unglaublicher Kampf im Gange, um die von Gott gewollte Familie oder die Überreste davon zu zerstören. Die „Modernen“ sagen, dass Eltern ihre Kinder nicht zwingen dürfen, geschweige denn anrühren, um sie zu züchtigen. Der gesunde Menschenverstand und auch Gottes Offenbarung wissen es jedoch besser: „Wer seine Rute schont, haßt seinen Sohn, doch wer ihn liebhat, nimmt ihn früh in Zucht.“ (Spr 13,24) Eltern, die gute Erzieher sind, wissen, dass es unmöglich ist, die Kinder auf dem richtigen Weg zu halten, ohne sie zu züchtigen. Sie müssen aber nur selten physische Gewalt anwenden, da sie ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten haben, ihre Kinder zu korrigieren, wobei natürlich das Temperament des jeweiligen Kindes eine große Rolle spielt.
Überläßt man Kinder sich selbst, dann werden sie nutzlose Bürger, eine Gefahr für sich selbst und für andere. Ein schrecklicher „aufgeklärter“ preußischer König [Friedrich II, Anm.] ließ ein grausames Experiment mit Neugeborenen durchführen. Ihren Pflegerinnen war es verboten, ihnen Zuneigung oder Anzeichen von Zuneigung zu geben. Sie durften sie nur füttern und waschen, also ihren Körper pflegen. Das Ergebnis war eindeutig: Alle Kleinkinder starben nach kurzer Zeit! Menschen sind eben keine Tiere, von denen manche ihre Eltern nie sehen oder kennenlernen, während viele andere nach kurzer Zeit die Bande mit ihrer Mutter verlieren.
Menschenwesen haben eine geistige, unsterbliche Seele. Diese Seele ist aber von der Erbsünde und ihren vielen Folgen betroffen, von denen einige auch bestehen bleiben, wenn die Sünde durch die Gnade der Taufe beseitigt wurde. Kinder müssen alles lernen; und sie haben große Schwierigkeiten mit dem Lernen, eben wegen dieser Folgen, Wunden und Auswirkungen der Sünde. Deshalb ist Erziehung notwendig und auch so schwierig.
Dieser Zustand unserer gefallenen Natur ist der Ausgangspunkt der Erziehung. Was aber ist ihr Ziel oder Ende?
Das Ziel muss sein, würdige Bürger der irdischen Gesellschaft und Anwärter auf den Himmel zu bilden.
Was ist also der Weg vom armseligen und wenig Erfolg versprechenden Ausgangspunkt zum hohen Ziel? Er besteht im Erwerb der Tugend und im Zurückdrängen und Ausrotten der Laster und bösen Neigungen. Alle Fähigkeiten müssen vervollkommnet werden, und dies ist nur möglich, wenn die Tugend positiv angestrebt und geübt wird.
Das Ziel der Erziehung besteht nicht darin, Ihre Kinder auf die Heiligsprechung vorzubereiten. Sie müssen ihnen helfen, vollkommen zu werden, aber es kann nicht Ihre Aufgabe sein, Ihre Kinder auf einen Sockel in Ihrer Hauskapelle zu stellen. Die Kirche allein ist befugt zu beurteilen, ob jemandes Leben ein Beispiel für heldenhafte Tugend war. Dies geschieht jedoch nach dem Tod der Person. – Ich war in der Piusbruderschaft mit Situationen konfrontiert, in denen ein ehrgeiziger Prior das „perfekte Priorat“ schaffen wollte, eine Situation, die etwas analog zu Eltern ist, die verzweifelt „ihre Kinder in Heilige verwandeln“ wollen. Das Ergebnis war Chaos und Katastrophe. Es kann auch gar nicht anders sein, denn wie die Franzosen sagen: „Wer den Engel spielt, wird zum Tier“ (Qui fait l’ange, fait la bête). Menschen sind weder Engel noch Tiere, sondern Leib als auch Seele. Daher führt ein Ungleichgewicht zwischen den beiden wesentlichen Komponenten Körper und Seele immer zu den schlimmsten Konsequenzen. – In ähnlicher Weise müssen Sie in der Familie und in der Erziehung die Vollkommenheit anstreben, obwohl Sie genau wissen, dass Sie stets eher ein Hindernis als eine Hilfe für Ihre Kinder sind und immer sein werden, um die Vollkommenheit zu erreichen. Der Hauptwirkende ist nämlich notwendigerweise Gott. Sie müssen versuchen, Schritt für Schritt dem Gottes Plan zu folgen, für Sie selber und für jeden Einzelnen, der Ihrer Fürsorge anvertraut ist.
Von einer Familie in den Niederlanden vor vielen Jahrzehnten wird berichtet, dass mehrere ihrer vielen Kinder Priester oder Ordensleute wurden. Erst als sie erwachsen und Ordensleute waren, fanden sie heraus, dass das zusätzliche Gesätz des Rosenkranzes, das die Familie jeden Tag gebetet hatte, von den Eltern eingeführt worden war, um Gott um geistliche und priesterliche Berufungen zu bitten… Welch wunderbare Diskretion der katholischen Eltern, welch vollkommenes Vertrauen auf die Wirksamkeit der Gnade Gottes und nicht auf menschliche Bemühungen und Worte…
Die Eltern und Erzieher sollen stets den Überblick behalten. Sie sind diejenigen, die führen und leiten müssen. Aber sie verwickeln sich notwendigerweise in den Alltag, in die immer gleichen Probleme und Schwierigkeiten… Deshalb müssen sie die Fähigkeit entwickeln, ruhig zu bleiben. Sie müssen Selbstbeherrschung und Gelassenheit lernen. Andernfalls laufen sie Gefahr, sich mit ihren Kindern auf die gleiche Stufe zu stellen, was für beide Seiten nicht gut ist. Auch hier ist also alles eine Frage der Tugend!
Offensichtlich gibt es für die Erörterung von Erziehungsfragen kein Ende. Meine Rolle und mein Ziel ist es, Sie an die Grundsätze zu erinnern, insbesondere an diejenigen, die heutzutage bedroht sind oder von vielen schlecht verstanden werden.
Der Sohn Gottes ist Mensch geworden und hat den größten Teil seines irdischen Lebens in einer Familie zugebracht. Deshalb haben christliche Eltern das Beispiel der Heiligen Familie zum Nachdenken und Nachahmen. Während der Advents- und Weihnachtszeit sollten diese Gedanken ihren Gedanken und Herzen noch näher sein, als das ganze Jahr über.