18. August 2019
Im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Hl. Geistes. Amen
In Christus Geliebte,
Der Heiland beendet das heutige Evangelium mit einem scheinbaren Widerspruch oder Rätsel:
Denn ein jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“
Im Tagesgebet sprechen wir:
O Gott, Du offenbarst Deine Allmacht vor allem durch Nachsicht und Erbarmen …“
Ganz offensichtlich sind Gottes Wege nicht unsere Wege, Seine Gedanken nicht unsere Gedanken!
Man sagt: „Selbst ist der Mann.“ Wenn ich mich also nicht selber hochhebe oder hinaufarbeite, dann wird es wohl nie geschehen. Wenn ich immer nur sanft und nachsichtig bin, werden alle auf mir herumtreten wie auf einem Fußabstreifer.
Und doch, liebe Katholiken, enthalten diese Worte, dieser scheinbare Widerspruch, den die Kirche uns heute vor Augen stellt, den Geist des Evangeliums. Der hl. Paulus drückt es mit seinen eigenen Worten aus:
Es gibt zwar verschiedene Gnadengaben, aber nur einen Geist … nur einen Herrn … nur einen Gott, der alles in allem wirkt. … Dies alles aber bewirkt ein und derselbe Geist, der jedem zuteilt, wie Er will.“
Ich behaupte, daß der Geist des Neuen und ewigen Bundes gerade in diesem Auseinanderklaffen zwischen unseren Gedanken und Gottes Gedanken besteht. Christus preist ja gerade jene selig, welche entschieden und andauernd gegen ihre irdischen und natürlichen Neigungen angehen:
Selig die Armen im Geiste; selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich.“ (Mt 5,3.10)
Wenn wir es mit Gott oder mit göttlichen Dingen zu tun haben, dann müssen wir ständig unsere Ansichten neu fassen: Wir müssen dem Himmlischen den Vorzug geben vor dem Irdischen. Wir müssen dem Drängen der göttlichen Gnade eher folgen als dem Drängen unserer Natur. Es geht also immer um die Unterscheidung der Geister! Welcher Geist rät mir, dies oder jenes zu tun? Der Geist Gottes, der mich ermutigt, das Rechte zu tun und das Böse zu meiden? Oder der Geist dieser Welt, des Fleisches, oder ein höllischer Geist, der mich treiben will, das Böse anzunehmen – vielleicht unter dem Schein des Guten?
Denn in allem Bösen gibt es etwas Gutes oder wenigstens den Anschein von Gutem. Der hl. Ignatius von Loyola warnt davor, daß der böse Geist oft mit guten Gedanken in unsere Handlungen einzieht, um dann bei seinen eigenen Absichten zu enden. Deshalb müssen wir lernen, das wahrhaft und allseitig Gute zu tun! Das ist gar nicht so selbstverständlich.
Im heutigen Evangelium sehen wir zwei Männer zum Beten in den Tempel gehen, einen Pharisäer und einen Zöllner. Beide haben eine gute Absicht, nämlich zu beten. Aber das Ergebnis ist ganz unterschiedlich.
Die Pharisäer waren jene, die zwar die von Gott geoffenbarte Wahrheit glaubten, aber ihre Ausübung durch Kasuistik verfälschten. Sie haben die Gottesverehrung in die äußerliche Befolgung einer Reihe von Vorschriften umgewandelt. Die 10 Gebote haben sie zu über 600 Vorschriften aufgebläht! Der Pharisäer im Gleichnis ist äußerst stolz und meint, großen Ruhm vor Gott beanspruchen zu können wegen seiner religiösen Taten:
Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich besitze.“
Doch der Heiland sagt, daß er nicht gerechtfertigt nach Hause ging.
Die Zöllner wurden von den gewöhnlichen Juden und vor allem von den Pharisäern zutiefst verachtet. Sie waren oft Erpresser, und im Umfeld des Hl. Landes zur Zeit Christi arbeiteten sie für die Römer und ihre Untertanen, also die Regierenden, die den Juden verhaßt waren. Zöllner galten als öffentliche Sünder. Der Heiland hat aber auch diese verlorenen Schafe des Hauses Israel zur Buße und zum Himmelreich berufen. Er hat sogar den Zöllner Levi-Matthäus als einen der zwölf Apostel berufen! Indem er im Gleichnis dem Pharisäer einen Zöllner gegenüberstellt, ruft er den Geist der Pharisäer zum Erwachen auf.
Der Zöllner aber stand von ferne und wagte nicht einmal die Augen zum Himmel zu erheben; er schlug vielmehr an seine Brust und sprach: O Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Und er ging gerechtfertigt nach Hause.
Der Pharisäer legt Nachdruck auf seine guten Handlungen, ohne diese auf ihre Quelle, nämlich Gott, zurückzuführen.
Der Zöllner anerkennt seine Übeltaten und führt sie auf ihre Quelle, nämlich sich selbst, zurück.
Der Pharisäer erbittet nichts von Gott. Er hat alles, was er will.
Der Zöllner bittet Gott um Erbarmen, und Gott, der seine Allmacht vor allem durch Nachsicht und Erbarmen offenbart, reinigt seine Seele von aller Schuld.
Was also sollen wir tun?
Zuerst müssen wir anerkennen, daß alles Gute seine Ursache in Gott hat, besonders das Gute, das in uns ist oder das wir zu tun fähig sind.
Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern deinem Namen schaff Ehre.“ (Ps 113,9) „All unsere Taten hast Du für uns vollbracht.“ (Is 26,12)
Auch müssen wir anerkennen, daß wir Sünder sind.
Zweitens müssen wir Gott um die wahre und andauernde Bekehrung unserer Seelen bitten. Weil wir wissen, daß wir das Gute nicht ohne Gottes Hilfe tun können, müssen wir
unsere Sorgen auf den Herrn werfen, und Er wird uns nähren“ (vgl. Introitus, Ps 54).
Alles, was Gott wirkt, zielt auf das Gut unserer Seele, auf unsere Rettung ab. Wir übersehen dies leicht wegen unserer geschöpflichen Schwachheit und unserer Sündhaftigkeit. Wir führen große Gedankengebäude auf, wir meinen, große Taten zu vollbringen … Aber diese „unsere“ Taten sind letztendlich nur Ausdruck unserer Unzulänglichkeit und unserer Dummheit, und früher oder später stürzen all unsere Einbildungen mit lautem Krach zusammen:
Wenn der Herr das Haus nicht baut, mühen die Bauleute sich umsonst.“ (Ps 126,1)
Die Kirchenväter erklären uns, daß bei einem Gebäude das Dach und das Fundament am wichtigsten sind. Das Fundament der Wohnung Gottes in unserer Seele ist die Tugend der Demut. Je höher das Gebäude werden soll, umso fester und tiefer muß das Fundament sein. Das Dach ist die Tugend der Liebe, welche wir immer gründlich betätigen müssen, damit das Gebäude keinen Schaden erleidet. Demut und Liebe sind die Grundlage und die Krönung aller anderen Tugenden.
Anerkennen wir also Gottes Gaben und nützen wir sie gut. Mit der heiligmachenden Gnade schenkt Gott uns auch alle übernatürlichen Tugenden sowie die Gaben und die Früchte des Hl. Geistes. Es liegt an uns, diese Talente zu betätigen und mitzuwirken durch unser tägliches christliches Leben und die christlichen Übungen in Gebet und Tat.
Schauen wir auf jene, deren Verherrlichung wir gerade gefeiert haben, Unsere Liebe Frau, die in den Himmel aufgenommen und gekrönt worden ist. Ahmen wir sie nach! Sie wußte, daß all ihre Schönheit und Glorie von Gott war. Sie hat Ihm die größte Ehre bezeigt, indem sie Seinen heiligen Namen gepriesen hat und Ihm ohne Verfehlung gedient hat. Sie hat sich wahrhaft erniedrigt, und Gott hat sie, wie der Heiland es im Evangelium versprochen hat, erhöht …